Stuttgart. Fraktionsvize Emil Sänze hat der Landesregierung Totalversagen vorgeworfen. Weder die Bevölkerung noch das Gesundheitssystem wurden im Januar und Februar frühzeitig auf die Entwicklung vorbereitet, obwohl zahlreiche Fachleute die Regierungen gewarnt haben. Nachdem wertvolle Wochen und Monate verloren wurden, um sich sachlich und persönlich auf die Krankheit vorzubereiten, zeugt das plötzliche Umschalten von völliger Ignoranz zu schärfsten gesellschaftlichen Einschränkungen von Inkompetenz und Panik.

„Covid ist nicht die Pest, noch nicht einmal die Cholera und kann bei frühzeitiger Erkennung behandelt werden“, erklärt Sänze. „Die Rate der Sterblichkeit ist ernst, aber nicht extrem hoch. Die Aufgabe lautet daher: Testen, Erkennen, Behandeln.“ Sofern sich Infektionsherde bilden, kann auf Ebene der Landkreise über einen Lockdown und eine lokale Quarantäne entschieden werden.“ Nicht angemessen dagegen ist ein Lockdown der ganzen Gesellschaft über Monate: „Die Schäden durch diese Maßnahmen – häusliche Gewalt, Verlust sozialer Kontakte, Selbstschädigungen aus wirtschaftlicher oder sozialer Verzweiflung, Steuerausfälle, Pleiten und Unternehmensaufgaben usw. – stehen absehbar nicht in Relation zur gesundheitlichen Herausforderung“, ist sich Sänze sicher.

Lockdown nach Ostern aufheben, Quarantäne-Entscheidungen auf Kreisebene verlagern

Die bundesweite Anzahl von Betrieben, die Kurzarbeit angemeldet haben, ist auf 470.000 angewachsen – 2010 waren es noch 49.121! „Macht sich eigentlich irgendjemand im Südwesten eine Vorstellung darüber, welch unglaubliche Anzahl von Krediten nötig sein werden, diese Wirtschaft wieder zu starten, da die laufenden Kosten des Betriebes die Liquiditätsreserven auffressen?“, fragt Sänze. Hinzu kommt, dass bei der Höhe des Kurzarbeitergeldes Deutschland nach einer aktuellen Studie des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) Schlusslicht unter den europäischen Ländern mit vergleichbaren Regelungen ist. „Wenn die Mitarbeiter wieder in Arbeit gebracht werden, sind keine Aufträge mehr da. Werden Aufträge erteilt, ist kein Geld mehr da, um das Material zu bezahlen, zudem werden viele Lieferanten auf Vorkasse umgestellt haben. Wer will das Geld als Betriebsmittelkredit bereitstellen, um die Wirtschaft auf breiter Front wieder anzufahren?“ Zudem kann davon ausgegangen werden, dass eine starke Nachfragezurückhaltung einsetzen wird, d.h. viele Mitarbeiter gar nicht mehr benötigt werden: „Von Deflation oder Inflation will ich an dieser Stelle noch gar nicht sprechen.“

Völlig untragbar ist für den pressepolitischen Sprecher die Außerkraftsetzung bürgerlicher Freiheitsrechte und die faktische Aufhebung der Gewaltenteilung, gegen die die AfD erfolglos vorging. „Bürgerrechte wurden gerade für Krisenzeiten geschaffen, und gerade dann sind Gewaltenteilung und Regierungskontrolle durch die Parlamente wichtig. Die Politik Kretschmanns legt das Land über Monate still und errichtet mindestens eine administrative Technokratie, die nichts mehr mit Demokratie zu tun hat.“ Ein Indikator ist auch die aufgeflammte „Petz“-Diskussion, die sich als staatlich gelenkte Erziehung zu „Corona-Blockwarten“ entpuppe: „Dass zwar FDP und SPD als oppositionelle Stimmen dazu in der Presse zitiert wurden, nicht aber mein provokatives Statement, spricht Bände“.

Sänze fordert nachdrücklich ein Umsteuern: „Der Lockdown ist nach Ostern aufzuheben, die Entscheidung über Quarantäne auf die Kreisebene zu verlagern. Parallel dazu sollen gefährdete Einrichtungen wie Altersheime bis zur Verfügbarkeit einer Impfung besonders geschützt werden. Wir müssen die Interessen des Gesundheitsschutzes mit den Interessen der anderen Bereiche der Gesellschaft ausgleichen. Der von den Regierungen eingeschlagene Weg führt in ein soziales und wirtschaftliches Fiasko. Das ist weder gesundheits- noch allgemeinpolitisch richtig“.