Herr Gögel, Anfang des Jahres haben Sie in der Fraktion knapp einen Misstrauensantrag überstanden. Im Landesvorstand ist das Verhältnis zu ihrem Co-Vorsitzenden zerrüttet, dem Bundestagsabgeordneten Dirk Spaniel. Was stört Ihre Parteifreunde an Ihnen?

Das sind völlig unterschiedliche Dinge. In der Fraktion haben wir das ausreichend besprochen und sind in einem für unsere Verhältnisse guten Zustand. Wir sind gewillt, bis zum Ende der Legislatur miteinander zu arbeiten, und dieser Aussage von allen Beteiligten will ich jetzt mal Glauben schenken.

Seit dem Misstrauensantrag gab es verschiedene Nachgeplänkel.

Es gibt immer irgendwo Animositäten und auch Baustellen, die wir noch schließen müssen. Sicherlich gibt es noch ein Thema mit Dr. Wolfgang Gedeon, der geäußert hat, dass er gern wieder in die Fraktion zurückkommen würde.

Wolfgang Gedeon hat sie 2016 nach Antisemitismusvorwürfen gegen seine Person verlassen.

Er hat noch immer einige Befürworter, auch in der Fraktion. Ich halte im Moment nicht viel von einer Rückkehr, denn wir befinden uns in einem schwebenden Verfahren – bekanntlich liegt derzeit noch ein Partei-Ausschlussverfahren gegen ihn vor.

Gegen Stefan Räpple ebenfalls.

Herr Räpple ist ein sehr eigenwilliger Abgeordneter mit sehr eigenwilligen Ansichten. Auch da muss man abwarten. Aber Stefan Räpple ist weder rechts noch links noch Mitte, sondern einfach ein überzeugter Basisdemokrat. In erster Linie von sich selbst und seinen Ansichten überzeugt. (schmunzelt)

In der Landespartei haben mehrere Kreisverbände einen Sonderparteitag zur Abwahl des Vorstands gefordert. Kommt es dazu?

Das ist noch nicht sicher. Satzungsgemäße Anträge liegen bis jetzt drei vor; fünf sollten es sein. Dieser Vorstand besteht aus zehn Personen, von denen acht problemlos miteinander arbeiten können. Mit zwei anderen Vorstandsmitgliedern haben wir unsere Schwierigkeiten. Fünf von 38 Kreisverbandsvorständen finden sich schnell zusammen, um so einen Parteitag einzuberufen. Das müsste man vielleicht auf dem nächsten Parteitag in der Satzung ändern.

Von außen dominiert der Eindruck, dass Sie von Parteifreunden unter Druck gesetzt werden, die dem völkisch-nationalen „Flügel“ nahestehen, während Sie selbst sich dem gemäßigten Teil der AfD zurechnen.

Das ist vielleicht ein Teil der Wahrheit. Daneben haben einige erkannt, dass es zusätzlich zum Landtagswahlkampf durchaus auch zu vorgezogenen Neuwahlen im Bund kommen kann. Da haben viele eine Motivation, ihre Position zu verbessern. Ja, es gibt sicher auch in Baden-Württemberg Mitglieder, die sich einen härteren nationalen Kurs wünschen. Das kann man mit neun von zehn Personen im jetzigen Landesvorstand – da muss ich Schatzmeister Frank Kral auch dazurechnen – in der Form nicht machen. Wir müssen versuchen, unsere Programmatik so zu artikulieren, dass die Menschen nicht erschrecken, sondern verstehen, was wir eigentlich tatsächlich als AfD möchten, und da unterscheiden wir uns nicht, weder Ost noch West, weder Flügel noch Moderate.

Sie sind das Gesicht der Fraktion nach außen. Gibt es für Sie einen guten Grund, warum Landtagsabgeordnete auf einer Bühne die erste Strophe des Deutschlandliedes mitsingen sollten?

Ich glaube nicht, dass diese missverständliche erste Strophe zu irgendwelchen Wahlerfolgen führt. Aus unserer geschichtlichen Entwicklung heraus würden Sie und ich beide sagen, es gehört sich nicht, dass man das singt. Das sind Provokationen, die nicht sein müssen, die es aber eigentlich auch nicht wert sind, dass man sich darüber auseinandersetzt.

Auf dem Mitschnitt einer Veranstaltung im bayerischen Greding sind Ihre Fraktionskollegen Christina Baum, Rüdiger Klos und Hans Peter Stauch zu erkennen, teils mit Hand auf dem Herz. Haben Sie sich mit denen auseinandergesetzt?

Das war eine Veranstaltung des Flügels in Bayern. Selbst das war noch manipuliert von jemandem, dessen AfD-Mitgliedschaft nicht ganz klar ist, der bewusst ein falsches Band ablaufen ließ. Da es sich nicht um eine offizielle Parteiveranstaltung handelte, habe ich diese Begleiterscheinungen auch nicht zu kommentieren. Hier in Baden-Württemberg wüsste ich nicht, dass bei einer Veranstaltung die erste Strophe gesungen wurde.

Anders als im Bund sind die AfD- Umfragewerte im Land seit der letzten Wahl leicht gesunken. Woran liegt’s?

2016 standen wir auf dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise und konnten hier in Baden-Württemberg ein etwas überdimensioniertes Wahlergebnis erreichen. Dennoch haben wir uns zum Ziel gesetzt, dass wir 2021 ein besseres Ergebnis erreichen wollen.

Mit welchen Themen?

Das große Thema ist sicher Infrastruktur. Da kann man nicht sagen, dass Baden-Württemberg ein glänzendes Beispiel ist. Das betrifft auch die wirtschaftliche Entwicklung, bis zum Mobilfunkstandard 5G, den wir als Schwerpunkt haben. Wir wollen prüfen, ob er gesundheitsschädlich ist. Wenn nicht, muss man ihn auch forcieren. Ein weiteres Schwerpunktthema wird der Mobilitätswandel sein. Wir haben uns von Anfang an dagegen gewehrt, einseitig in die Elektromobilität zu investieren. Mittlerweile zeichnet es sich deutlich ab, dass wir eigentlich viel stärker in Richtung Wasserstoffentwicklung gehen sollten.

Bei der jüngsten Europawahl hat das Thema Klima eine große Rolle gespielt; die Grünen erleben auch auf Bundesebene große Zustimmung. Hat die AfD sich zu lange verweigert?

Den Klimawandel hat noch niemand in der AfD bestritten, das wäre ja auch hirnlos. Aber wir sind nicht davon überzeugt, dass der Anteil des Menschen an diesem Klimawandel die Hysterie und die Mittel rechtfertigt, die wir dagegen einsetzen wollen. Das ändert allerdings nichts an der Tatsache, dass wir uns auf die sich verändernden Umweltbedingungen einstellen müssen, und dass selbstverständlich auch wir das Ziel haben, uns möglichst klimaneutral zu verhalten.

Bei welchem Landesthema sind Sie stolz auf die Arbeit der AfD?

Bedauerlicherweise müssen sich die Grünen vorhalten lassen, dass es in ihrem Bundesland, wo sie seit fast neun Jahren regieren, eines Bürgerbegehrens bedarf, um Umweltpolitik zu machen. Wir haben schon davor eine Gesetzesinitiative eingebracht, um die Quoren entsprechend abzusenken und die finanziellen Vorbehalte bei solchen Begehren einzuschränken. Dass das rundweg abgelehnt wurde, ist für die Demokratie bedenklich, da werden wir weiter kämpfen. Unser Programm für den Umgang mit Asylanten ist in Einzelbauteilen von anderen schon mit propagiert worden.

Unterstützen Sie das „Rettet die Bienen“-Volksbegehren?

Die Ziele dieses Begehrens unterstützen wir selbstverständlich. Es muss aber so sein, dass die Versorgung der Bürger gewährleistet ist und die Waren bezahlbar bleiben. Weinbau kann ohne Pestizide, insbesondere Fungizide, nicht existieren.

„Rettet die Bauern“ wäre sicher auch ein populäres Anliegen. Wenn die Quoren überall gesenkt werden, könnten künftig auch gegensätzliche Begehren und Volksabstimmungen Erfolg haben. Wer soll das auflösen?

Ich weiß nicht. Aber es ist im Sinne der Demokratie. Einfache Lösungen gibt es so nicht. Alle Themen sind komplex. Der Wähler und die Bevölkerung haben auch kein Interesse, alle 14 Tage irgendwo an einer Volksabstimmung teilzunehmen. Das wird auch in Zukunft die Ausnahme bleiben.

Am Sonntag wird in Sachsen und Brandenburg gewählt, im Oktober in Thüringen. Sehen Sie für die AfD irgendwo eine Regierungsbeteiligung?

Ich glaube, dass die AfD in beiden Bundesländern bereit wäre für Gespräche mit der anderen konservativen Volkspartei. Ob deren Landespolitiker das wollen, wird man sehen.

Wäre die AfD regierungsfähig?

Die Verbände im Osten sind sehr homogen, gefestigt und haben auch gute Politiker. Diese Streitigkeit, wie wir sie hier zum Teil in den Westverbänden erleben, gibt es dort weniger.

Und in Baden-Württemberg?

Wir haben in den vergangenen Jahren auf verschiedensten Ebenen Mandate errungen und werden sicher nächstes Mal mit erfahreneren Menschen hier in den Landtag einziehen. Darum sind wir sicherlich ein adäquater Gesprächspartner, zumindest für eine Partei. Die nicht will. Noch nicht.

Reizt Sie eine Spitzenkandidatur?

Die AfD wird aus meiner Sicht keinen Spitzenkandidaten küren.

Ab wie viel Prozent stellt sich die Frage?

Da muss eine Partei auch in den Umfragen irgendwo bei 20 oder über 20 Prozent liegen. Aber in die Verlegenheit werden wir 2021 noch nicht kommen.

Stehen Sie zur Verfügung, wenn es zur Neuwahl des Landesvorstands kommt?

Das weiß ich nicht. Ich weiß auch nicht, ob ich noch einmal für den Landtag kandidieren werde. Ich gehe davon aus, dass diese Fragen bis zum Jahresende für mich persönlich beantwortet sind.

Wie ist Ihr Resümee insgesamt nach den ersten Jahren im Landtag? Haben Sie sich die Arbeit so vorgestellt?

Annähernd. Als einfacher Abgeordneter genießt man persönliche Meinungsfreiheit. Als Fraktionsvorsitzender ist der größte Verlust, dass man jede Meinungsäußerung prüfen muss. Es sitzen einem aber 19 Abgeordnete gegenüber, die einem genau diese Freiheit entgegenwerfen. Ich kann denen gar nichts, die können mir alles. In einer jungen Partei erschwert das so ein Amt unglaublich. Ich bin insgesamt etwas enttäuscht über die Möglichkeiten des politischen Handelns. Zu viel wird bekanntlich in Brüssel oder Berlin entschieden. Dass man in der Opposition nichts bewegen kann, ist klar. Regierungsbeteiligung bleibt mein Ziel, da unterscheide ich mich von Flüglern, die auch 20 Jahre drauf warten würden, bis sie irgendwann die große Mehrheit haben.

Macht Ihnen die Vorstellung Angst, dass Flügler in 20 Jahren die große Mehrheit haben könnten?

Also, bis jetzt wären es nur einzelne Personen, vor denen ich Angst hätte. Die sind aber im Moment nicht an irgendwelche Schaltpositionen der Partei. Ich glaube, dass sich die vernünftige Mehrheit in der AfD, auch im Flügel, durchsetzt. Patrioten lieben ihr Land, achten aber auch die Rechte und Gepflogenheiten anderer Länder. Nationalisten verachten andere Nationen. Das hat zur größten Katastrophe in dieser Welt geführt, und das wollen 99,9 Prozent der AfD-Mitglieder und -Wähler nicht. 

 

Das Interview führte Dr. Jens Schmitz.