Im Rahmen einer Pressekonferenz im Bürger- und Medienzentrum des baden-württembergischen Landtages stellte die Fraktion der AfD – vertreten durch den Fraktionsvorsitzenden Bernd Gögel, den europapolitischen Sprecher Emil Sänze und den rechtspolitischen Sprecher Rüdiger Klos – ihren am 7. Mai eingereichten Entwurf des Gesetzes zur Stärkung der Mitwirkung des Landtags in EU-Angelegenheiten vor. Das Gesetz zieht maßgebliche Änderungen von Artikel 34a der Ver­fassung des Landes Baden-Württemberg nach sich, die die Position der Landtagsabgeordneten aller Parteien in Angelegenheiten der Europäischen Union gegenüber der Landesregierung deutlich stärken.

Die Kontrolle der Executive durch die Legislative findet von Seiten der die Regierung tragenden Parteien bzw. Fraktionen in den Parlamenten nicht mehr statt. Um diesem Missstand wenigstens ansatzweise zu begegnen greift der Entwurf die Informationspflichten auf und nimmt der Executive die Möglichkeit selbst zu bestimmen, was Sie an Informationen bzgl. Maßnahmen der EU an die Legislative weiterleitet. Dies erhöht die Transparenz und somit die Kontrollfunktion und Fähigkeit der Parlamente. Diese waren mittlerweile zu einem reinen „Abnickverein“ verkommen.

Ebenso folgt dies dem Gedanken der Subsidiarität. Das Mitspracherecht der Parlamente muss wieder belebt werden, eien Bindung an die Beschlüsse der Legislative für die Executive wird so verbessert.

Hintergrund:

Vor der Gründung des Deutschen Bundesstaats im Jahre 1871 waren die deutschen Länder alleiniger Träger der staatlichen Souveränität. Mit der Gründung des Bundesstaates und seiner Neuauflage nach dem 2. Weltkrieg haben sie einen Teil ihrer Souveränität und damit einen Teil der Gesetzgebungszuständigkeiten ihrer Parlamente an den Bund abgegeben. Mit der Weitergabe der Zuständigkeiten der Landesparlamente ging als Kompensation und Kontrollmittel die Beteiligung der Länderexekutiven an der Bundesgesetzgebung im Bundesrat einher. Ana­log gingen Zuständigkeiten der Landesparlamente durch die europäische Zentralisierung verloren. Auch hier wurde den Landesregierungen als Entschädigung und Kontrollmittel die Mitwirkung in Angelegenheiten der EU auf der Bundesebene eingeräumt.

Die Landesregierungen wirken in Angelegenheiten der EU, beispielsweise bei der Übertragung von Hoheitsrech­ten an die EU oder bei der Übertragung von EU-Recht in nationales Recht, mit. Die Landesparlamente haben dagegen aus der Perspektive des Grundgesetzes keine Mitwirkungsmöglichkeiten.

In den Verfassungen der Länder finden sich zwar Ansätze, die Landesparlamente in die innerstaatliche Mitwir­kung der Länderexekutiven in Angelegenheiten der EU einzubinden, jedoch bleiben die Mitwirkungsmöglichkei­ten der Landtage im Hinblick auf die Bereiche der Mitwirkung und die Verbindlichkeit ihrer Beschlüsse für die Landesregierung weit hinter dem vom Demokratieprinzip Gebotenen zurück. Dies gilt auch für die Landesverfas­sung von Baden-Württemberg (LV), die im Ländervergleich nach der Verfassung des Freistaats Bayern eine ver­meintliche Vorreiterrolle in der Beteiligung des Landtags in Angelegenheiten der EU einnimmt.

Daraus ergibt sich die Forderung, die Möglichkeiten der Mitwirkung der Landesparlamente am europäischen Integrationsprozess deutlich auszubauen, um sie für die durch die Staatsgründung der Bundesrepublik und durch den europäischen Integrationsprozess verlorene Gestaltungsfreiheit angemessen zu entschädigen. Die effektive und unmittelbare Mitwirkung der Landesparlamente an der Wahrnehmung der überstaatlichen Gewalt ist nicht nur auf den Bereich der Gesetzgebungszuständigkeiten der Länder, sondern auch auf die bei der Gründung der Bundesrepublik von den Ländern an den Bund delegierten originären Gesetzgebungszuständigkeiten der Lan­desparlamente zu erstrecken. Allgemein muss also die Möglichkeit bestehen, das europapolitische Handeln der Landesregierung in allen Bereichen der Bundes- und Landesgesetzgebung, die von Angelegenheiten der EU be­troffen sind, an die Weisungen des Landtags zu binden. Bei politisch und rechtlich besonders wichtigen Angele­genheiten wie der Übertragung von Hoheitsrechten, aber auch der Betroffenheit von Gesetzgebungszuständig­keiten der Länder müssen die Weisungen der Landtage für die Landesregierungen in ihrem Handeln überdies verpflichtend sein.

Die Änderungen am Art. 34 a der Landesverfassung lassen sich wie folgt zusammenfassen:

  • Die Landesregierung ist verpflichtet, den Landtag zum frühestmöglichen Zeitpunkt über alle seine Aufgaben berührenden Angelegenheiten der EU zu informieren und ihm in all diesen Angelegenheiten Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.
  • Wenn die Gesetzgebungszuständigkeiten von Bund oder Ländern durch die Übertragung von Hoheitsrech­ten auf die EU betroffen sind, kann die Landesregierung in ihren verfassungsmäßigen Aufgaben durch Gesetz gebunden werden, insbesondere mit Blick auf ihr Abstimmungsverhalten im Bundesrat.
  • Eine strikte Bindung der Landesregierung in ihren verfassungsmäßigen Aufgaben an Stellungnahmen des Landtags ist vorgesehen, wenn Vorhaben der EU Gesetzgebungszuständigkeiten der Länder betreffen. Diese Bindung erstreckt sich insbesondere auf das Abstimmungsverhalten der Landesregierung im Bundesrat und ausdrücklich auf den Auftrag an die Landesregierung, sich auf Bundesebene für eine gerichtliche Verteidi­gung von Landeskompetenzen gegenüber der EU einzusetzen.
  • Sind die Gesetzgebungszuständigkeiten des Bundes durch ein Vorhaben der EU betroffen, hat die Landesre­gierung bei ihren verfassungsmäßigen Aufgaben die Stellungnahmen des Landtags maßgeblich zu berück­sichtigen, auch hier insbesondere hinsichtlich ihres Abstimmungsverhaltens im Bundesrat.