Die Lösung des Alterssicherungsproblems kommt aus dem Süd-Westen – das „Stuttgarter-Modell“ (Cappuccino-Modell)
Letztes Wochenende tagte ein interfraktioneller Arbeitskreis der Renten- und Sozialpolitiker der AfD aus Bund und Ländern. Dabei empfahl eine Mehrheit der Teilnehmer die Stärkung der gesetzlichen Rente und die Ausdehnung des Kreises der Beitragszahler, wobei es für Selbständige aber eine Ausstiegsklausel geben soll und Beamte nicht vollständig erfasst werden. Mütter sollen bis zu 10.000 Euro an gezahlten Rentenbeiträgen als Starthilfe für ihre Kinder zurückerhalten. Das marktaffine Modell von Jörg Meuthen (Kombination aus steuerfinanzierter Mindestrente und kapitalgedeckter Eigenvorsorge) soll allerdings je nach demographischer und wirtschaftlicher Entwicklung weiterhin in Erwägung gezogen werden. Letztlich muss die Mitte Februar tagende Bundesprogrammkommission entscheiden, welchen wie konzipierten Leitantrag sie dem Sozialparteitag Ende April in Offenburg vorlegt.
Im Vorfeld der Formulierung des Leitantrages kritisieren die baden-württembergischen AfD-Abgeordneten, die sozialpolitische Sprecherin Dr. Christina Baum MdL der und stellvertretende Fraktionsvorsitzende Emil Sänze MdL, die Ergebnisse des Arbeitskreises und verweisen auf das von ihnen geprägte und von ihrer Fraktion adaptierte „Stuttgarter-Modell“.
Verteilungsgerechtigkeit, Generationengerechtigkeit und Leistungsgerechtigkeit sinnvoll verbinden
Zunächst äußert sich Dr. Baum kritisch zu markt-libertären Ansätzen der Alterssicherung und betont die Rolle von Gerechtigkeitsaspekten bei der Ausgestaltung der Alterssicherung. Von Altersarmut sei heute etwa die Hälfte aller Rentner betroffen, beziehe weniger als 800 Euro und erziele damit ein Einkommen, das unter dem soziokulturellen Existenzminimum liege. Der Zusammenhalt der Gesellschaft benötige „von der staatlichen Ordnung ein glaubhaft umgesetztes Gerechtigkeits- und Solidaritätsversprechen“. In diesem Sinne seien „markt-libertäre Konzepte einer rein privat verantworteten Altersvorsorge“ abzulehnen. Die notwendigen Renditen ließen sich nicht oder nur mit sehr hohem Risiko erwirtschaften, was einer Versorgungssicherheit im Alter, die ja Zweck einer Reform der Altersversorgung sei, per se zuwiderlaufe und das Risiko der Altersarmut für breite Massen der Bevölkerung lediglich noch weiter erhöhe. „Das Gerechtigkeitsversprechen, das den gesellschaftlichen Frieden befördert, muss Verteilungsgerechtigkeit, Generationengerechtigkeit und Leistungsgerechtigkeit gewährleisten und wird nur in unserem Cappuccino-Modell in ausreichendem Maße eingelöst.“, führt die sozialpolitische Sprecherin aus. Den Vorschlag des interfraktionellen Arbeitskreises, dass Mütter bis zu 10.000 Euro an gezahlten Rentenbeiträgen als Starthilfe für ihre Kinder zurückerhalten sollen, hält Dr. Baum für „inkonsequent“. Einerseits seien Gratifikationen für Erziehungsleistungen versicherungsfremde Leistungen, die von der Allgemeinheit und nicht vom Kreis der Versicherten zu tragen seien. Zum anderen sei ein Betrag von 10.000 Euro als gesellschaftliche Wertschätzung von Erziehungsleistungen oder als familienpolitischer Anreiz viel zu niedrig gegriffen.
Erweiterung der Finanzierungsbasis unerlässlich
Sodann spricht sich Sänze dem Stuttgarter-Modell entsprechend für eine konsequente Erweiterung der Einnahmeseite des öffentlichen Systems der Altersvorsorge aus, um dieses zukunfts-fähig zu machen. Es seien „ausnahmslos alle Berufsgruppen in einer einheitlichen Pensionskasse zu erfassen und in gesamtgesellschaftliche Verantwortung zu nehmen.“ Zudem solle die Beitragsermessensgrenze entfallen. Der „inkonsequente und halbherzige“ Vorschlag des interfraktionellen Arbeitskreises erweitere zwar den Kreis der Beitragszahler, durch die Ausstiegsklausel für Selbständige und die Auslassung bestimmter Beamtengruppen seien weiterhin Teile der Gesellschaft von der solidarischen Aufgabe der Alterssicherung entbunden. Einen weiteren wichtigen Beitrag zur Erweiterung der Finanzierungsbasis der öffentlichen Alterssicherung müsse, so Sänze, die Wirtschaft leisten. Im Cappuccino-Modell spiele die Wert-schöpfung als Einnahmequelle eine ganz entscheidende Rolle. Unter Wertschöpfung sei der „Erfolg eines Unternehmens dargestellt im Gewinn“ zu verstehen. Wertschöpfung sei in einer Geldwirtschaft das Ziel produktiver Tätigkeit. Diese transformiere vorhandene Güter in Güter mit höherem Geldwert. Das mache das Konzept sogar attraktiv für eine positive Gründerkultur. Denn in einer Zeit, in der ein Unternehmen keine Gewinne mache, entfalle eben auch diese Wertschöpfung. Das junge Unternehmen wäre dann auch vom Arbeitgeberanteil befreit.
Wesentliche Komponenten des Stuttgarter-Modells
Das Stuttgarter Pensionsmodell[1] führt im wesentlichen folgende Komponenten zusammen:
• Eine durch eine von Privatunternehmen als auch von öffentlichen Körperschaften zu entrichtende Wertschöpfungsabgabe finanzierte Sockelpension, die das soziokulturelle Existenzminimum aller Einwohner ab dem 65. Lebensjahr absichern soll,
• eine auf der Sockelpension aufsetzende, durch Arbeitnehmerbeiträge zu finanzierende und ausnahmslos alle Berufsgruppen erfassende Erwerbstätigenpension ohne Beitragsbemessungsgrenze, die zusammen mit der Sockelpension den Versicherten 70% des durchschnittlichen Netto-Lebenserwerbseinkommens sichern soll,
• eine den Einwohnern freistehende, allerdings nicht staatlich geförderte private kapitalgedeckte Altersvorsorge,
• eine aus allgemeinen Steuermitteln finanzierte BOS-Pension als Gratifikation für ehrenamtliche Tätigkeiten in Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (z.B. Feuerwehr oder Rotes Kreuz) und
• ein Willkommenskultur-für-Kinder- oder WKK-Faktor, der sich bis zum dritten Kind erhöht und mit dem die Erwerbstätigkeitspensionen nicht nur der Mutter, sondern beider Elternteile multipliziert werden, wobei der finanzielle Mehraufwand durch allgemeine Steuermittel getragen wird.